1 Vorwort

1.1 Was hier zu finden ist - und was nicht
1.2 Zur Entstehungsgeschichte der GKINF-Seiten
1.3 Computer im Unterricht - ein Rückblick
1.4 Ist Informatik ein ernstgemeintes Schulfach?
1.5 Wer wartet das Schulnetz?
1.6 Brauchen Schüler Informatik?

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1.1 Was hier zu finden ist - und was nicht


Die schlechte Nachricht zuerst: die vorliegenden Seiten erheben nicht den Anspruch, ein Lehrwerk für die Informatik in der Schule zu sein. Dazu ist die Entstehungsgeschichte zu chaotisch und mein Hang zum großen professoralen Wurf zu unterentwickelt. Außerdem sind diese Seiten nicht "abgeschlossen". Im Gegenteil, ich bin bemüht, sie durch ständige Überarbeitung am Leben zu erhalten bzw. zum Leben zu erwecken. Damit haftet dem Projekt aber auch der Ruch der Unzuverlässigkeit an. Zu Recht, denn was Sie gestern hier fanden, kann morgen schon wieder weg sein... (wie das im Netz eben ganz allgemein so üblich ist).

Die gute Nachricht hinterher: wahrscheinlich kann manches von dem, was Sie hier finden, für die Begleitung eines Informatik-Unterrichts durchaus brauchbar sein. Lehrer können hier thematische Anregungen finden, aber nicht nur als nebulöse Idee ("Man könnte mal...", aber meist wird dann doch nichts draus), sondern als unterrichtsnahes Konzept, das in vielen Fällen sogar schon mehrfach durchgeführt wurde. Und Schüler können Aufgaben finden, zu denen es (wenn Sie Glück haben) schrittweise Anleitungen und (gelegentlich auch) Lösungen gibt.

Nach wie vor sind sich selbst die Fachleute häufig nicht einig, was nun eigentlich Informatik ist, soll und tut. Die vorliegenden Seiten nehmen den Blickwinkel des baden-württembergischen Lehrplans für den Grundkurs Informatik ein. Kollegen aus anderen Bundesländern werden manches vermissen, speziell dann, wenn dort Informatik auf Leistungskursniveau unterrichtet wird. Aber an hilfreichen Seiten zum Informatik-Unterricht ist ja inzwischen kein Mangel mehr, und was Sie hier nicht finden, das finden Sie andernorts - oder Sie machen selbst eine Baustelle auf... ;-)



1.2 Zur Entstehungsgeschichte der GKINF-Seiten

Die GKINF-Seiten sind aus der Not entstanden: nach wie vor gibt es kein Buch für den Grundkurs Informatik in Baden-Württemberg, das einerseits den aktuellen Lehrplan hinreichend abdeckt und andererseits mir persönlich so gut gefällt, dass ich es meinen Schülern guten Gewissens in die Hand geben wollte. Ganz ohne schriftliche Unterlagen ist das Unterrichten auf die Dauer aber doch sehr mühsam. Nach mehreren durchimprovisierten Informatik-Grundkursen habe ich mich daher entschlossen, eine "Materialien-Sammlung im HTML-Format" anzulegen und zu pflegen. Vollmundig hatte ich meinen Schülern immer gepredigt, dass HTML ein Format mit Zukunft sei - was lag also näher als den ernsthaften Versuch zu wagen, die Zukunft meines eigenen Unterrichts "HTML-basiert" zu gestalten?

Aus der ursprünglichen Aufgabenblatt-Sammlung ist inzwischen etwas geworden, das ich eher schon als ein "Scriptum" meines Unterrichts ansehe - eine Menge von Texten, die einen Weg quer durch den derzeitigen (2003) baden-württembergischen Grundkurs-Informatik-Lehrplan bahnen. Einzelne Kapitel werden schon fast im Lehrbuchstil abgehandelt, andere Aspekte werden bisher sträflich vernachlässigt. Die Subjektivität der Akzente belegt die Programmier-Zentriertheit meines eigenen Zugangs zur Informatik. Gelegentlich haben hilfreiche Kollegen eingegriffen und manche didaktische Lücke mit den Früchten ihrer Arbeit gefüllt.

Bald kam dann in Gesprächen mit anderen Informatiklehrern die Idee auf, diese Materialien auf einen öffentlichen Server zu stellen. Nicht, weil ich von ihrer umwerfenden Qualität so überzeugt gewesen wäre, sondern weil die Not der Kollegen vielerorts ebenso groß war wie die meine anfangs. Also habe ich www.gkinf.de eingerichtet. Seitdem biete ich meinen Schülern diese Seiten als "mein Informatik-Scriptum" an. Das Angebot wird wohl genutzt, was weniger durch die in meinem Unterricht inzwischen häufiger auftauchende Frage "Steht das im Scriptum?" belegt wird als vielmehr durch die ärgerlichen Reaktionen, die mir regelmäßig dann geboten werden, wenn ich ab und an auch mal eine verneinende Antwort geben muss.

Externe Besucher mögen es mir nachsehen, wenn manche der Seiten ohne einen flankierenden Besuch meines Unterrichts von deutlich reduzierter Brauchbarkeit sind. Ich bin geneigt, mir da eine "open source"-Argumentation zu eigen zu machen, die Jim Croce vor vielen Jahren in einem seiner schönsten Lieder so auf den Punkt brachte: "If you're going my way, I'll go with you!"



1.3 Computer im Unterricht - ein Rückblick

Als sich im Verlauf der 80er Jahre die PCs so langsam zur Massenware entwickelten, fingen fortschrittliche Didaktiker an, darüber nachzudenken, wie die technischen Möglichkeiten der Computer unterrichtlich nutzbar gemacht werden könnten. Es gab einen wahren Boom computergestützter Unterrichtsversuche. Die Ergebnisse waren nicht unbedingt immer überzeugend, aber Gründe für ein Scheitern der ersten Schritte auf einem neuen Weg lassen sich stets ohne größere Probleme finden.

So war z.B. in vielen Fällen (noch) nicht klar, worin denn eigentlich der Mehrwert eines Unterrichts mit Computereinsatz gegenüber einem herkömmlichen Unterricht bestehen sollte. Bald lernten wir schmerzlich, dass Unterricht nicht schon automatisch dadurch besser wird, dass wir den Computer einsetzen. (Eine ähnliche Erkenntnis sollte demnächst in Bezug auf die "Lernmethoden" Platz greifen, aber die pädagogische Gemeinde ist derzeit noch nicht bereit, das Primat der Methoden über die Inhalte als Scharlatanerie zu erkennen.)

Andererseits konnte es durchaus passieren, dass man eine gute Idee für den Computerunterricht hatte und es dann aber an der geeigneten Software mangelte. Die Software-Knappheit dieser Zeit liefert auch eine Erklärung dafür, warum sich so viele Lehrer mit Begeisterung in die Programmiererei stürzten. Reihenweise produzierten wohlmeinende Mathematik-Kollegen den ultimativen Funktionenplotter, ambitionierte Erdkundelehrer schrieben Simulationsprogramme für die Tektonik des Rheingrabens, und die Programmierkurse für Mittelstufenschüler ("Basic für Anfänger") schossen wie Pilze nach dem warmen Sommerregen aus dem Boden...

Zwei Aspekte des unterrichtlichen Einsatzes von Computern müssen deutlich unterschieden werden:
Diesen zweiten Aspekt hatte man im Auge, als dann schließlich auch in Baden-Württemberg im Rahmen der (zum soundsovielten Mal) "reformierten Oberstufe" ein Grundkurs Informatik eingerichtet wurde.



1.4 Ist Informatik ein ernstgemeintes Schulfach?

Nun war die Informatik also ein Schulfach, aber wer sollte das eigentlich unterrichten? Sowohl die ITG als auch der Informatik-GK wurde den Mathematikern hingeschoben, von denen man - teilweise wohl zu Recht - annahm, dass sie von allen Lehrern am dichtesten beim Computer schlafen würden. Mitte der 80er Jahre inszenierte das Kultusministerium von Baden-Württemberg eine großangelegte Ausbildung ausgewählter Mathematiklehrer, die in einem Kontaktstudium zu "Multiplikatoren" weitergebildet wurden. Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre wurde dann die dort angesammelte Kompetenz in die Fläche multipliziert: in regelmäßigen regionalen Fortbildungsveranstaltungen bildeten diese Multiplikatorenteams nun interessierte Kollegen zu Informatiklehrern aus.

Danach beschloss das Stuttgarter Kultusministerium, dass es nun genug sei. Obwohl führende Politiker in Sonntagsreden oft und gerne betonten, dass es eine Notwendigkeit sei, die kommende Generation mit informatischer Bildung auszustatten, um sie "fit für die Zukunft" zu machen, konnte man sich in Stuttgart nicht dazu durchringen, Informatik als ordentliches Schulfach mit einer eigenen Fakultas zu installieren und an den Universitäten eine Ausbildung für das "Lehramt im Fach Informatik" einzurichten. Folgerichtig gab es auch keinen Nachwuchs an Informatiklehrern. Eine später nachgeschobene Hilfskonstruktion (Informatik als drittes Fach) erfreute sich unter den Referendaren nie großer Beliebtheit, so dass bis heute kaum ein Zustrom an frischen Informatikern in die Kollegien zu bemerken ist. Zudem gingen nicht wenige der Referendare, die wirklich etwas von Informatik verstanden, nach dem erfolgreichen Abschluß des zweiten Staatsexamens lieber zu SAP als in die Schule (nicht wahr, Olaf?).

In jedem anderen gymnasialen Fach wird selbstverständlich davon ausgegangen, dass sich jeder Lehrer im Rahmen eines akademischen Studiums profunde Kenntnisse über die hinter den Unterrichtsgegenständen stehende Fachwissenschaft verschafft hat, bevor man ihn auf die Schüler loslässt. Bei der Informatik scheint man darauf verzichten zu wollen. Dies ist ein weiteres Beispiel für einen unseligen Trend unserer Zeit: es wird immer unwichtiger, ein guter Fachmann auf (s)einem Gebiet zu sein. Wieviel Anerkennung man erfährt, hängt in viel höherem Maße davon ab, wieviel Show man macht.



1.5 Wer wartet das Schulnetz?

In den 90er Jahren zogen die Netze in den Schulen ein, und die mussten dann natürlich auch von irgend jemand gewartet werden. Selbstverständlich wurde diese Aufgabe ebenfalls den wenigen vorhandenen Informatiklehrern aufgeladen. Die ein oder zwei Deputatsstunden, die sie dafür angerechnet bekamen, waren ein Tropfen auf den heißen Stein. Ich weiß aus eigener Erfahrung, welch hohes Maß an Selbstausbeutung nötig ist, um diese Aufgabe zu schultern. Der Ruf nach professioneller Unterstützung wurde lauter. Eine Qualifizierungsoffensive des Kultusministeriums ("Netzwerker-Fortbildung") sollte die schlimmste Not lindern, konnte das Problem aber nicht nachhaltig lösen.

Ende der 90er Jahre schwappte schließlich eine "Multimedia-Initiative" übers Musterländle, die auch den letzten Lateinlehrer davon überzeugte, dass ohne den Computer inzwischen überhaupt kein pädagogischer Erfolg mehr möglich sei. In der Folge stiegen die Anforderungen an die Schulnetze sowohl auf der Hardware- als auch auf der Software-Seite deutlich an: "Multimedia" ist zunächst mal nur ein Schlagwort, allerdings eines, das ernst genommen teuer werden kann. Leider ist die Technologie in der Zwischenzeit aber so komplex geworden, dass die damit einhergehenden Probleme nicht mehr von ein paar gutwilligen Lehrern so nebenbei gelöst werden können. Unter der Federführung des Landesinstituts für Erziehung und Unterricht wurden "Musterlösungen" für Schulnetze erarbeitet bzw. weiterentwickelt. Der Teufel steckt jedoch auch hier im Detail: was bei der Schule A glatt läuft, kann bei der Schule B durchaus schief gehen, weil die vielleicht eine andere Firmware-Version der Netzwerkkarte haben...

Heute sind zahlreiche Schulen im Grunde recht gut mit Hardware ausgestattet, aber die tatsächliche Verfügbarkeit der Computer für den Unterricht kann in vielen Fällen nicht gesichert werden. Und die Aufgabe, einen ordentlichen Kompromiss zwischen Benutzerfreundlichkeit und Sicherheit zu finden (ja, wirklich, das sind sich widersprechende Forderungen!), ist selbst für einen gut ausgebildeten Fachmann eine recht anspruchsvolle Aufgabe. Es ist blauäugig zu erwarten, dass das ein kurz mal fortgebildeter Lehrer zwischen Tür und Angel selber schaffen kann. Hinzu kommt, dass viele Fragen der Computer-Sicherheit auch von den Profis bisher noch nicht befriedigend beantwortet werden konnten. Die nicht abreißende Flut von Meldungen über weitere Sicherheitslecks in Windows sprechen da eine deutliche Sprache.



1.6 Brauchen Schüler Informatik?

So steht nun die Frage im Raume, ob der Aufwand für die Computerausstattung der Schulen sich wirklich lohnt. Inzwischen sind nämlich die Schüler, in deren Zimmer zuhause kein PC steht, durchaus selten geworden. Und zumindest beim Spielen, beim Chatten, beim Surfen im Internet und beim Brennen von Musik auf CDs lernen unsere Schüler doch eine ganze Menge von den Dingen, die wir ihnen in der ITG beibringen wollten. Vielleicht brauchen sie uns ja gar nicht mehr dazu???

Für die ITG mag das vielleicht gelten, für die Inhalte des Grundkurses Informatik ist es falsch. Die Techniken der Problembewältigung, die unsere Schüler am PC anwenden, sind nicht auf die Erarbeitung von theoretischen Hintergründen gerichtet, und die meisten unserer Schüler bringen diesen tiefergehenden Aspekten keine große Zuneigung entgegen. Um so wichtiger wäre es, die Informatik zum verbindlichen Schulfach zu machen, mit gut ausgebildeten Fachlehrern, die imstande sind, aus dem mit schwindelerregendem Tempo dahinsausenden Strom des computertechnischen Fortschritts diejenigen Aspekte herauszufiltern, die einen Bildungswert haben. Stattdessen verkommt die Informatik in der Ecke der Exotenkurse und im AG-Bereich, nur weil es im baden-württembergischen Kultusministerium offenbar niemanden gibt, der zwischen ITG, Multimedia und Informatik sauber unterscheiden kann!

Na denn, was soll's? Wozu sollen wir Schmalspur-Informatiklehrer uns dann noch weiter engagieren, wenn die Randbedingungen für unsere Arbeit so unbefriedigend sind? Bei allem Zorn über den Stuttgarter Aktionismus an den falschen Fronten ("Grundschul-Französisch!"), bei aller Empörung über die Realitätsferne der höheren Schulverwaltung, bei aller Wut über die ständige Verschlechterung der Arbeitsbedingungen der Lehrer insgesamt -- eines sollten wir nicht aus den Augen verlieren: letztlich sind wir Lehrer diejenigen, die bestimmen, was in unseren Klassenzimmern (und Computerräumen) geschieht, nachdem wir die Türe hinter uns zugemacht haben und die Stunde anfängt! Und wenn wir meinen, dass wir unseren Schülern etwas Wichtiges weiter zu geben haben, dann sollten wir das tun, so gut wir es eben können. Wenn Ihnen die GKINF-Seiten dabei helfen könnten, würde mich das freuen. Halten wir uns an Sartre, und sprechen wir mit fester Stimme ein mutiges "Trotzdem!", egal welcher Schava(h)n-Sinn die politische Bühne dominiert!


    Offenburg, im August 2003
    Roland Mechling




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